Zürner Texte Essays Reisereportagen

Der Werteverfall des Abendlands gewinnt diesertage rapide an Fahrt durch ein Phänomen, welches sich konsumentenfreundlich zwischen sämtlichen Baumärkten und Zoohandlungen dieser Republik simultan abspielt: die Invasion der plastikummantelten Billig-Espressomaschinen, welche mit allerlei absonderlichen Tabletten gefüttert, dem nach Orientierung heischenden Genußsucher suggerieren, ihre Ablassungen seien im Bereich von Espresso und seinen Derivaten angesiedelt.

In Zeiten von pervertiertem Geiz und sonstigen hauptsächlich auf das sinnlose Geldvernichten ausgerichteten Marketingstrategien, die Wertigkeit anpreisen und Wertloses zum Inhalt haben, passt auch der Kapselespresso gut neben die geknechtete Gewächshaustomate.

Und weil an Essen und Trinken gerne gespart wird, spielt auch Geschmack keine Rolle, denn alles kann man, nicht wahr, nun wirklich nicht haben in diesen unruhigen Zeiten. Da kommt so ein kleines Maschinchen gerade recht, mittels dessen, welch angenehmer Nebeneffekt, sich neben Espresso gleich noch ein guter Schluck des kuscheligen Zeitgeistes in die lauwarmen Tassen kippen läßt.

Doch anders als in den 60ern, nähert sich die Reise nicht in klapperigen VW Käfern dem Gardasee, sondern kulinarisch dem Nordpol. Die innländische Gastronomie hat es längst vorgemacht - einen italienischen Espresso serviert zu bekommen ist so unwahrscheinlich wie ein Sechser in der Lotterie. An den chromblitzenden Barmaschinen mangelt es freilich nicht, es ist wohl eher die Sorge, kulinarisch ganz unten angekommene durch 2 Schluck unvorbereitete Aromenintensität („Den kann doch kein Mensch trinken! Und dafür soll ich 3 Euro zahlen?“) vollends aus den Restaurants zu vergraulen. Es wäre im übrigen kein Verlust.

So läuft dann eine Einheitsmischung schön flau in große Pötte und man freut sich diebisch, daß der Restaurantexbresso auch nicht besser schmeckt als jener aus der heimischen Apparatur.

Dagegen hilft dann leider auch kein Digestif.